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Bildungsmonitoring als Steuerungsinstrument

Bildungsmonitoring ist im deutschsprachigen Raum ein relativ neuer Begriff. Das Interview mit Prof. Dr. Döbert vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) soll Aufklärung bringen, was sich hinter dem Terminus Bildungsmonitoring verbirgt und welchen Nutzen kommunale Bildungsakteure vor Ort daraus ziehen können.
Prof. Dr. Döbert vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) gehört zur Autorengruppe des nationalen Bildungsberichts und ist einer der wenigen Experten, die sich intensiv mit den Themen Bildungsberichterstattung und Bildungsmanagement beschäftigt haben. An dieser Stelle finden Sie den ersten Teil des Interviews, das Jutta Laukart von Lernen vor Ort mit Prof. Dr. Döbert geführt hat.

Lernen vor Ort: Den meisten in der Bildungspraxis arbeitenden Pädagogen ist der Begriff Bildungsmonitoring noch nicht so geläufig. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Prof. Dr. Döbert: Hinter dem Begriff Bildungsmonitoring verbirgt sich die kontinuerliche, systematische und dauerhafte Beobachtung eines Bildungssystems oder Teilbereiche eines Bildungssystems mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden. Das ist die Grundlage für evidenzbasierte Bildungspolitik, das heißt für eine Bildungspolitik, die sich auf empirische Daten stützt und davon ausgehend Maßnahmen ergreift.

Lernen vor Ort: Welchen Nutzen hat die Einführung eines kommunalen Bildungsmonitorings?

Prof. Dr. Döbert: Es gibt Bildungsmonitoring auf Bundesebene und auf Landesebene, aber die eigentlichen Prozesse vollziehen sich auf kommunaler Ebene. Im regionalen Raum verlaufen die Karrieren von Kindern und Jugendlichen. Hier werden die Eltern unmittelbar aktiv. Darüber hinaus sind auf der kommunalen Ebene die ganzen, vielfältigen Bildungsbeteiligten in Form von Netzwerken aktiv.

Lernen vor Ort: Wie unterscheidet sich das kommunale Bildungsmonitoring vom Bildungsmonitoring auf nationaler Ebene und auf Landesebene?

Prof. Dr. Döbert: Die Schwierigkeit besteht darin, dass sie nicht einfach Daten von der Bundesebene und Länderebene übernehmen können. Daher muss man beim kommunalen Bildungsmonitoring von einem anderen Ansatz ausgehen. Man muss von den spezifischen Zielen und den Problemlagen in einer Kommune ausgehen.

Lernen vor Ort: Woher kennt man die Schwächen in einer Region, wenn es zuvor kein Bildungsmonitoring gab?

Prof. Dr. Döbert: Die im Bildungssystem Tätigen wissen meist schon ganz gut, wo die wirklichen Probleme liegen. Meist handelt es sich um gefühlte Problemlagen. Aber bisher ließen sich diese nicht mit Daten belegen. Mit dem Bildungsmonitoring in Lernen vor Ort schafft man die Grundlage für eine fundierte Wissensbasis.

Lernen vor Ort: Ist es sinnvoll, dass die beteiligten Kommunen in Lernen vor Ort gleiche Daten erheben?

Prof. Dr. Döbert: Im Schulbereich wird es immer ähnliche Probleme geben z. B. die Abschlussquoten bei den Schulabschlüssen oder das Problem der Klassenwiederholer. Das sind Problemlagen, von denen man ausgehen kann, dass sie relativ verbreitet sind. Daher sollte man ein Set von Kernindikatoren aufbauen.

Lernen vor Ort: Wie können politisch Verantwortliche mit den aus dem kommunalen Bildungsmonitoring gewonnen Informationen arbeiten? Die Indikatoren sind erst mal nicht so angelegt, dass man gleich verwertbare Informationen für Planungsprozesse gewinnen kann.

Prof. Dr. Döbert: Eine schwierige Frage! Über Kommunikation von Ergebnissen und Umsetzungsstrategien denken die wenigsten Leute nach. Die Erfahrungen zeigen, man muss die allgemeinen Befunde des Bildungsmonitorings komprimiert darstellen. Es ist sinnvoll, kurze und knappe Botschaften zu übermitteln:  Wo liegen die Stärken und Schwächen in einer Region? Davon ausgehend sollte man Strategien für die nächsten 10-15 Jahre entwickeln, von denen man im nächsten Schritt konkrete Maßnahmen ableitet. Stärken sollte man ausbauen und in Bezug auf Schwächen Interventionsstrategien entwickeln.

Lernen vor Ort: Veränderungen im Bildungssystem greifen langfristig. Was sind die minimalen Voraussetzungen, damit man Bildungsmonitoring nachhaltig in einer Region verankern kann?

Prof. Dr. Döbert: Wenn sich eine Kommune entschieden hat, regelmäßig einen Bildungsbericht zu erstellen, dann sind einige Rahmenbedingungen notwendig: Erstens ein Netzwerke aller, die in der Region mit Bildung zu tun haben. Zweitens man braucht eine sichere Datenbasis. Diese Daten müssen kontinuierlich gepflegt werden. Und man braucht drittens ein Produkt - Bildungsmonitoring und Bildungsbericht als Einheit gedacht -, welches eine nachhaltige Wirkung entfaltet. Wenn man etwas kontinuierlich macht, kann man sich relativ sicher sein, dass es nachhaltig Wirkung zeigt. Dazu braucht man entsprechende Ressourcen. Man braucht entsprechende personelle Ressourcen für die Datenpflege, für koordinierende Tätigkeiten und für die Datenerhebung, wenn man eigene Untersuchungen durchführen möchte. Man sollte auch immer darüber nachdenken, sich externe Expertise zu organisieren.

Lernen vor Ort: Wie sind Ihre Erfahrungen, wie gehen politisch Verantwortliche mit den Informationen aus dem Bildungsmonitoring um?

Prof. Dr. Döbert: Ich kenne eine Reihe von Kommunen, die einen Bildungsbericht erarbeitet haben und kontinuierlich damit arbeiten. Es ist wirklich ein Instrument geworden, mit dem man ganz wesentlich Maßnahmen im Bildungsbereich fundieren und begründen kann; ein Instrument, mit dem man eine Strategie begründen kann, so dass Maßnahmen nicht unkoordiniert nebeneinander stehen. Es bietet das Potential, dass Verwaltungen sich fokussiert organisieren können, so dass auf allen Ebenen mit den Informationen gearbeitet werden kann: Angefangen vom Oberbürgermeister bis tatsächlich hin zu den Lehrern und Lehrerinnen bzw. Erziehern und Erzieherinnen, die konkret mit den Kindern tagtäglich arbeiten. Da existieren ganz konkrete Auswertungsstrategien. Wenn man das nicht von Anfang an mitdenkt, dann verspielt man die Chancen, die so ein Instrument bietet.