Rheingau-Taunus Kreis Lernende Netzwerk Region Rheingau-Taunus VHS Rheingau-Taunus RTK

Termine

Keine Termine gefunden

Auftaktveranstaltung Lernen vor Ort am 26.04.2010 in der EBS

Prof. Dr. Rita Süßmuth: „Lernen ist kein Zwang sondern Freude“

Anpfiff für das spannende Projekt Lernen vor Ort / Leidenschaftliches Plädoyer

Es war ein leidenschaftliches und mitreißendes Plädoyer, das die frühere Präsidentin des Deutschen Bundestages und ehemalige Bundesjugendministerin, Prof. Dr. Rita Süßmuth (CDU), während der Auftaktveranstaltung des Projektes Lernen vor Ort im Rheingau-Taunus-Kreis im Walther-Leisler-Kiep-Center der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel hielt. Die kämpferische 73-Jährige machte sich dafür stark, dass „Bildung eine Gemeinschaftsaufgabe ist“, dass alle an Bildung teilhaben müssten, und dass die Chancen, die in dem Projekt Lernen von Ort liegen, erkannt und genutzt werden. So bekannte sie sich dazu, dass „Bildung eine öffentliche Verpflichtung und Aufgabe ist, die nicht völlig privatisiert werden darf“.

„Wir stehen im Bildungsbereich vor neuen Aufgaben und Herausforderung“, so die Erziehungswissenschaftlerin. Dabei falle den Kommunen mehr Mitspracherecht zu, denn „das Lokale wird wiederentdeckt“. In den einzelnen Regionen wurde in der Vergangenheit genug Erfahrung gesammelt, welche Bildungsformen vor Ort benötigt werden. Gerade bei der Vermittlung von Bildung müsse auf regionale Eigenarten und Besonderheiten Rücksicht genommen und diese in die Konzepte eingearbeitet werden. Wegen seiner regionalen Ausrichtung biete Lernen vor Ort, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds für Deutschland gefördert wird, hervorragende Chancen. So sollen Bildungskonzepte nicht vom Bund den Kommunen übergestülpt werden, sondern in den einzelnen Regionen selbstständig entwickelt werden.

Bezug zur Realität

Rita Süßmuth: „Lernen vor Ort hat den Bezug zur Realität.“ Denn durch das Projekt wird nicht nur der Fokus auf den Übergang von der Kindertagesstätte zur Grundschule sondern auch auf den Übergang von der Erwerbsphase in die nachberufliche Lebensphase gelegt. „Denn auch ältere Menschen sind innovativ“, so die ehemalige Bundestagspräsidentin. Auch ältere Menschen könnten etwas neues beginnen; schließlich „ist Lernen kein Zwang sondern eine Freude“ und sollte als Chance gesehen werden. Es sollte wieder Spaß am Lernen vermittelt werden.

So versteht die 73-Jährige Bildung als Gemeinschaftsaufgabe, bei der alle Generationen beteiligt werden müssten. Um den Schwächsten zu helfen, seien bei Lernen vor Ort die Besten nötig, und die könnten ebenfalls profitieren. Und so forderte sie ein „kooperatives System“ bei den Bildungsübergängen. Jedem die Chancen einzuräumen, sich Bildung aneignen zu können, hieße die Devise. Es dürfe kein Zurück in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts geben. Um dann auf die eigene Biografie einzugehen. „Damals hieß es: ‚Katholisch, Mädchen, vom Land – keine Chance!’“, erinnerte sie sich. Gesellschaftliche Öffnung und der Zugang zu Bildung hätten ihr jedoch den Weg bereitet und Ähnliches fordert Rita Süßmuth nun auch. Zugleich sprach sich  die 73-Jährige für einen ganzheitlichen Ansatz in Form einer „Rückkehr zur Persönlichkeitsbildung“ aus.

Es dürfe nicht allein jener als intelligent angesehen werden, der Sprachen und Naturwissenschaften studierte. Vielmehr sollte erkannt werden, dass jeder Stärken hat. „Wir dürfen auch nicht sagen, dass zehn Prozent der Menschen bildungsrenitent sind“, betonte Rita Süßmuth. „Wir sollten aufhören, Menschen mit einem hierarchischen Blick einzuteilen, denn ein Mensch beginnt nicht erst beim Akademiker.“ Des Weiteren warb sie dafür, das Thema Integration nicht zu vergessen, das eine wichtige Rolle im Projekt spielen müsse. „Kein Land kommt im 21. Jahrhundert an der Migrationsfrage vorbei“, bekräftigte Rita Süßmuth und: „Verwundert stellen wir Deutschen jetzt fest, dass es auch sehr intelligente Kinder in Migrantenfamilien gibt.“ Dies sollte Deutschland für seine weitere Zukunft nutzen. Von den Kindern sollte niemand verloren gehen, so die Christdemokratin.

Kooperativen Stil

Lernen vor Ort biete die Chance dazu. Das Projekt bringe Menschen zusammen. Im Projekt sollten aber nicht nur die Experten mitarbeiten sondern jeder. Die Philosophie des Projektes lautet nämlich: Wir weisen niemand zurück und pflegen einen kooperativen Stil miteinander. Auch solle niemand Angst vor Scheitern haben, so die Christdemokratin: „Ich habe viel mehr aus gescheiterten Projekten gelernt, als aus jenen die erfolgreich verliefen.“ Lernen vor Ort im Rheingau-Taunus-Kreis wünschte Prof. Dr. Rita Süßmuth abschließend einen positiven Verlauf.

Die Vize-Präsidentin der EBS und Geschäftsführerin der EBS-Stiftung, Sabine Fuchs, und Landrat Burkhard Albers hatten die Auftaktveranstaltung zuvor eröffnet. Im Rheingau-Taunus-Kreis, der als eine von 40 Kommunen bundesweit an Lernen vor Ort teilnimmt, kooperieren der Kreis und die Volkshochschule. Die EBS-Stiftung hat die Patenschaft übernommen, wie in den Förderrichtlinien gefordert. Laut Sabine Fuchs gehört die EBS zu den Bildungsträgern im Kreisgebiet. Die Privatuniversität bilde aus, bietet aber auch Weiterbildungsseminare an. Fuchs: „Wir wollen einen wichtigen Beitrag für lebenslanges Lernen leisten.“

Bildungs-Bundesliga

Landrat Albers wies darauf hin, dass das Projekt Lernen vor Ort ein zweiter wichtiger Baustein im Gesamtkonzept neben dem „Regionalen Übergangsmanagement – Übergang Schule - Beruf“ ist. Dadurch spiele der Kreis in der „Bildungs-Bundesliga“, in der Albers gewillt ist, ein gewichtiges Wort mitzusprechen. So will er bis 2012 die Jugendarbeitslosigkeit im Kreis auf Null drücken und warnte gleichzeitig vor einem Fachkräftemangel in der Region. Albers: „Wir können es uns aus ökonomischen Gründen nicht leisten, junge Menschen zurück zu lassen.“ Alle Jugendlichen sollen deshalb einen Ausbildungsplatz erhalten.

Im Rahmen der Auftaktveranstaltung sprach sich Prof. Dr. Hans Döbert vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung für Bildungsmonitoring als Steuerungsinstrument aus  „Damit schaffen wir eine empirische Basis, um zu wissen, was wir tun müssen, um eine bessere Qualität im Bildungswesen zu erreichen.“ Weiterhin stellten Horst Stockem und Ingrid Wulf die Projektarbeit vor. Umrahmt wurde die Veranstaltung vom „Tinko Unternehmenstheater“ aus Gießen.

Dr. Christoph Zehler, Pressesprecher Rheingau-Taunus-Kreis